Sprecher
Beschreibung
In den Arbeitskreis „(De-)Kategorisierung in der Sportpädagogik“ eingebettet, fokussiert der vorliegende Beitrag den Widerstreit in Bezug auf die Notwendigkeit von Kategorien in der sportpädagogischen Praxis, explizit für die Lehrkraft im Sportunterricht. Aufgezeigt an der Ungleichheitskategorie Behinderung wird in diesem Kontext für eine Dekategorisierung argumentiert, welche nach Wocken (2019, S. 171) „in der Pädagogik den Umgang mit unterscheidbaren Anderen“ thematisiert. Diese Sichtweise geht von der Einzigartigkeit des Individuums als leitende Bezugsgröße im pädagogischen Prozess des jeweiligen Handlungsfeldes aus. Generalisierende übergeordnete Kategorien bergen die Gefahr, dass diese den Blick von Sportlehrkräften auf einzelne Lernende dominieren und somit die vielfältigen Facetten des Individuums in den Hintergrund rücken. Gleichzeitig transportieren starre Differenzkategorien, wie zum Beispiel die durch die sonderpädagogischen Förderschwerpunkte vorgegebenen Kategorien, Assoziationen, Erwartungen und unter Umständen auch Stigmatisierungen, die eine Sportlehrkraft pädagogisch unflexibel machen können. Sie vernachlässigen auch die Tatsache, dass Menschen, denen eine Kategorie zugeschrieben wird, keine homogene Personengruppe darstellt, die einheitlich und nach bestimmten Prinzipien, die sich auf eine Kategorie bezieht, gefördert werden kann. Die pädagogische Sinnhaftigkeit von Kategorisierungen muss ein weiteres Mal kritisch geprüft werden, wird bedacht, dass sich Kategorien immer überschneiden und dass Menschen eben nicht nur eine soziale Kategorie zugeschrieben wird, sodass daraus die Frage nach Effekten intersektionaler Verflechtungen von Kategorien resultiert: An welcher Kategorie und darauf aufbauend an welchem pädagogischen Konzept sollte beispielsweise die Sportlehrkraft ihr Tun bezüglich ihrer übergewichtigen Schülerin mit einem Förderschwerpunkt Lernen und Migrationshintergrund orientieren (Tiemann, 2014)? Als Ableitung für die Sportlehrkräfteausbildung scheint es von Bedeutung zu sein, Studierende für das individuelle Anders-Sein von Lernenden zu sensibilisieren und die Vermittlung didaktisch-methodischer Kompetenzen hinsichtlich der Vielfalt der Schüler:innen jenseits einzelner „Behinderungs-Kategorien“ ins Zentrum zu rücken.
Literatur
Tiemann, H. (2014). Inklusiver Sportunterricht – handlungsleitende Überlegungen. In Fachausschuss Wissenschaft. Special Olympics Deutschland (Hrsg.), Inklusion in Bewegung: Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam im Sport (S. 183 – 191). o.O.: Sport Thieme.
Wocken, H. (2019). Das Phantom der Nonkategorisierung. Wider die Hyperkategorisierung im pädagogischen Umgang mit Verschiedenen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 88 (3) 171-177.