Sprecher
Beschreibung
Um sich den persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu fühlen und das eigene Potenzial bei deren Bewältigung einsetzen zu können, sind ein positives Selbstkonzept und ein gesunder Selbstwert wichtige Voraussetzungen. Hohe Begabungen und überdurchschnittliche oder sogar herausragende Leistungen sind keine Garanten dafür, dass Personen sich kompetent und wertvoll fühlen: Mitunter bleibt das Gefühl von Stolz aus und es gelingt keine Integration der Erfolge in das Selbstkonzept (z.B. Bernard et al., 2020).
Hochbegabte und leistungsstarke Kinder und Jugendliche können hohen Leistungsdruck erleben, wenn sie sich beispielsweise aufgrund ihrer Fähigkeiten dazu verpflichtet fühlen, überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen, keine Fehler zu machen oder hohe Anforderungen als „leicht“ empfinden zu müssen. Trotz ihrer Erfolge können sie stark an ihren Fähigkeiten zweifeln oder sogar befürchten als „Hochstapler:in“ aufzufliegen (Imposter-Phänomen, z. B. Kolligian & Sternberg, 1991). Wahrgenommener Leistungsdruck kann mit dysfunktionalem Perfektionismus verbunden sein, zu Vermeidungsverhalten und Self-Handicapping (auch durch Prokrastination) führen sowie Bildungsentscheidungen beeinflussen (z. B. Lee et al., 2020). Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens können die Folge sein, sowie ein erhöhtes Risiko, Depressionen, Angst-, Ess- oder Schlafstörungen zu entwickeln (z.B. Bravata et al., 2020).
Vor allem Kinder und Jugendliche, die ihr Selbstwertgefühl an ihre Leistung sowie deren externe Validierung knüpfen, sind vulnerabel. Aber auch in der Begabtenförderung unterrepräsentierte Gruppen, die nicht den herrschenden Stereotypen von Hochbegabten entsprechen (z.B. aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft) können stärker von Selbstzweifeln und Leistungsdruck betroffen sein (z.B. Muradoglu et al., 2021). Sie können das Gefühl haben, sich ständig beweisen zu müssen, um bestehende Vorurteile über ihre Person nicht zu bestätigen (Stereotype-Threat). Neben individuellen Faktoren können auch Umgebungseinflüsse, z. B. der Übergang in eine Begabtenfördermaßnahme oder Erwartungen aus dem sozialen Umfeld (z.B. durch Eltern, Lehrkräfte, Peers, Schulkultur) zur Entstehung von Leistungsdruck beitragen. Die Zusammenhänge werden vorgestellt und Präventions- sowie Interventionsmöglichkeiten werden auf individueller und kontextueller Ebene diskutiert.
Schlagworte/Keywords
Leistungsdruck, Selbstwert, psychische Gesundheit, Imposter-Phänomen, Stereotype
Schulstufe - Zielgruppe / Educational Stage - Target group
Sekundarstufe, Hochschulbildung
Personenbeschreibung/Bio-Note
Anne-Kathrin Stiller hat in der Pädagogischen Psychologie an der TU Darmstadt promoviert, ist Systemische Therapeutin und beriet u.a. Studierende in Bezug auf die Entwicklung ihrer Potenziale. Seit 2015 ist sie bei der Karg-Stiftung in Frankfurt am Main tätig. Als Leitung Wissenschaft verantwortet das William Stern Programm zur Förderung der Begabungsforschung sowie Fachmedien der Karg-Stiftung zu den Themen Beratung und Diagnostik im Kontext Hochbegabung.
Wiebke Evers hat an der Universität Heidelberg am Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie promoviert. Seit 2020 ist sie in der Karg-Stiftung in Frankfurt am Main als Projektleitung im Team Beratung tätig. Sie verantwortet verschiedene Projekte, in denen sie sich gemeinsam mit Partner:innen aus Wissenschaft und Praxis der Potenzialentwicklung von besonders begabten Kindern und Jugendlichen widmet. Ihr Fokus liegt dabei u.a. auf den Themen Underachievement und der Förderung der Exekutiven Funktionen.