Institut für vergleichende Städtegeschichte und Kuratorium für vergleichende Städtegeschichte e. V. in Zusammenarbeit mit Angela Huang (FGHO Lübeck) und Henning Steinführer (Stadtarchiv Braunschweig)
Zwischen städtischer Freiheit und fürstlicher Herrschaft – Zum Phänomen der autonomen Stadt im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (Arbeitstitel)
Frühjahrstagung des Instituts für vergleichende Städtegeschichte 2026
Das Phänomen der Autonomiestadt ist für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtgeschichte in Deutschland von großer Bedeutung. Unter dem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem auch von Heinz Schilling geprägten Forschungsbegriff Autonomiestadt werden jene Städte gefasst, die einerseits hinsichtlich ihrer Rechtsstellung zwar keine Reichsstädte waren, sich aber andererseits so weit von der Herrschaft ihres geistlichen oder weltlichen Fürsten gelöst hatten, dass sie politisch, rechtlich, wirtschaftlich und auch militärisch selbständig handlungsfähig waren. Diese besondere Stellung kommt in dem im 16. Jahrhundert aufkommenden Begriff der zwischen Reichsstadt und Land- bzw. Territorialstadt stehenden civitas mixta zum Ausdruck.
Die Autonomie oder in der Diktion der Zeit die Freiheit dieser Städte gründete auf ihrer wirtschaftlichen Stärke, die sie gegenüber ihren eigentlichen Stadtherren durch den Erwerb immer neuer Rechte zu nutzen und durch herrscherliche Privilegien abzusichern wussten (Privilegienpanzer). Der von der Forschung geprägte Typus der autonomen Stadt wurde bisher insbesondere im Norden des Reiches lokalisierte, wo zugleich die Zahl der Reichsstädte gering war. Die (Städte-)Hanse etwa wäre ohne Autonomiestädte nicht denkbar. Als prominente Beispiele gelten Braunschweig, Erfurt, Magdeburg oder Münster.
Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gerieten solcherart weitgehend autonom agierenden Städte durch den systematischen Ausbau der fürstlichen Territorialherrschaft zunehmend unter Druck, nicht wenige verloren ihre Selbstständigkeit. Andere behaupteten ihre Position ausgesprochen erfolgreich. In den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden bis auf wenige Ausnahmen aber auch die verbliebenen Autonomiestädte fürstlicher Herrschaft unterworfen. Einen Schutz vor fürstlichem Zugriff bot in diesem neuen politischen Kontext nur der Rechtsstatus als Reichsstadt, wie ihn Bremen und Hamburg noch im 17. Jahrhundert zu erlangen vermochten.
Nun soll das für die vormoderne Stadtgeschichte wichtige Phänomen der autonomen Städte erstmals ins Zentrum einer wissenschaftlichen Tagung gestellt werden. Ansatz der vergleichend angelegten Tagung ist es, ausgehend von Fallbeispielen Merkmale und Rahmenbedingungen von städtischer Autonomie herauszuarbeiten und nach übergreifenden Mustern vormoderner Stadtentwicklung zu fragen. Dazu gehört auch der Vergleich mit anderen Städtetypen, um Abgrenzungen und fließende Übergänge zwischen verschiedenen Städtetypen nicht aus den Augen zu verlieren. So wird im Rahmen der Tagung nicht nur städtische Freiheit umfassend vorgestellt, sondern auch der Forschungsbegriff der Autonomiestadt kritisch geprüft.
Zu behandelnde Themenfelder sind u. a.:
- Bedingungen für die Entstehung autonomer Städte (Recht, Wirtschaft, Politik);
- Strategien zum Aufbau und zum Erhalt der städtischen Autonomie;
- Spezifische Merkmale autonomer Städte;
- Veränderte Rahmenbedingungen für kommunales Handeln in der Frühen Neuzeit;
- Interkommunales Zusammenwirken (Städtebünde, Hanse);
- Verhältnis zu anderen Stadttypen (Reichsstädte, landesherrliche Städte);
- Selbst- und Fremdwahrnehmung, Formen spezifischer Repräsentation;
- zeitgenössische Rechts- und Verfassungsdiskurse um den Typus der autonomen Stadt (civitates mixtae).