Beschreibung
Der rasante Fortschritt bei generativer KI ist beeindruckend und erschreckend zugleich.
Manche in der Schule vermittelten Kompetenzen werden plötzlich bedeutungslos – eine
Textzusammenfassung kann schnell generiert werden, wirklich kreative Prosa kommt aus
dem Computer, Analysen von Musikstücken übertreffen das, was man von Schülerinnen und Schülern erwarten könnte. Auch der Mathematikunterricht kommt erneut in Erklärungsnot:
Wozu muss man <hier ein beliebiges Thema einsetzen> können, wenn ChatGPT die
Aufgabe komplett löst, die Lösungswege erklärt und das alles noch in perfektem Deutsch,
Englisch oder Chinesisch?
Diese Situation ist allerdings nicht neu: Es gab auch schon vor der Erfindung des Computers Menschen und Dokumente, die etwas besser konnten als Schülerinnen und Schüler, selbst als die Lehrerinnen und Lehrer. Wozu den Satz des Pythagoras lehren, wenn es hunderte Beweise gibt, die man in Büchern oder im Internet nachschlagen und reproduzieren kann?
Weiterhin haben wir schon vor 50 Jahren lernen müssen, wie man mit der Existenz von
Technologie zur Lösung von Mathematikaufgaben umgeht. Niemand muss heutzutage das
kleine Einmaleins beherrschen, um es für schriftliche Rechenverfahren zu nutzen. Das
Standardbeispiel des Verkäufers oder der Verkäuferin an der Supermarktkasse oder der
Bedienung im Restaurant, die rechnen können müssen, ist unrealistisch. Wir haben also
Beispiele dafür, wie man mit der Existenz noch besserer (?) Maschinen umgehen kann. Und die Maschinen werden besser: Die aktuellen Verfahren, die generative KI mit deterministischen Verfahren kombinieren um das zu Anfang eher lächerliche "reasoning" der KI in den Griff zu bekommen, sind nach Einschätzung von Fields-Medaillist Terence Tao "roughly on par with trying to advise a mediocre, but not completely incompetent graduate
student" – die Schulzeit und das Bachelor-Studium hat die KI also wesentlich schneller als Menschen hinter sich gebracht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie uns nicht nur in Schach und Go, sondern auch in Mathe schlägt.
Im Vortrag möchte ich neben einem Blick auf die dann aktuellen Technologien auf diese
Herausforderung eingehen: Der Mathematikunterricht als Befähigung, nicht nur mit Mathematik, sondern auch mit Autorität umzugehen. Wenn Maschinen menschenähnlich werden und generative KI an AGI (Artificial General Intelligence) heranreicht, dann muss der Aspekt der Verifikation weiter in den Vordergrund gestellt werden, als das bisher der Fall ist. Nicht die Frage nach der Lösung, sondern die Frage nach der Probe ist sinnstiftend für den Mathematikunterricht.