Digitale Buchmärkte: Potenziale und Herausforderungen

Europe/Berlin
JO1O1 (Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters "Religion und Politik")

JO1O1

Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters "Religion und Politik"

Johannisstr. 4 48143 Münster
Caroline Koegler, Corinna Norrick-Rühl (English Department, Chair of Book Studies), Petra Pohlmann, Gernot Sieg
Beschreibung

Im SFB Recht und Literatur (DFG SFB 1385) erforscht das Teilprojekt A02 "Literatur und Markt" aus Sicht von vier Disziplinen (Literaturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Buchwissenschaft) die komplexen Zusammenhänge zwischen Literatur, Markt und Recht. Besonders dringlich erscheinen angesichts der fortschreitenden Digitalisierung in der Buch- und Medienwelt Fragen zu neuen Entwicklungen in digitalen Buchmärkten.

Dieses Symposium widmet sich daher den Potenzialen und Herausforderungen der digitalen Buchmärkte mit vier Gastredner*innen, die mit verschiedenen disziplinären Blickwinkeln an das Phänomen herantreten.

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Julius Noack, Geschäftsführer des SFB 1385
    • 1
      Begrüßung und Einführung
      Sprecher: Caroline Koegler, Corinna Norrick-Rühl (English Department, Chair of Book Studies), Gernot Sieg, Petra Pohlmann
    • 2
      Plattformisierung und digitale Buchkultur: Potenziale und Herausforderungen durch Wattpad, Inkitt/Galatea & Co.

      Digitale Medien beeinflussen die kulturellen Prozesse der Herstellung, Veröffentlichung und Rezeption medialer Inhalte in nachhaltiger Weise. Plattformen durchdringen nahezu alle gesellschaftlichen Prozesse und verändern institutionelle, ökonomische sowie kulturelle Strukturen und Praktiken. Auch im Kontext des Medienwandels von Buchkultur haben digitale Plattformen – etwa mit unterschiedlichen Self-Publishing- und zum Teil co-kreativen Content-Produktionsformen sowie datengestützten Publishing Schemes – in den vergangenen Jahren eine Reihe von Dynamiken hervorgebracht. Plattformausgerichtetes Schreiben, Lesen und Veröffentlichen für mobile Endgeräte sowie algorithmisch und vollautomatisiert „assistierte“ co-kreative Produktions- und Publikationsverfahren auf Plattformen und Apps wie Wattpad, Inkitt oder Galatea provozieren Fragen an eine digitale Buchkultur im Zuge datengetriebener, plattformisierter und tiefenmediatisierter Transformationen. Wesentlich sind dabei nicht nur Formen partizipativer Gestaltung von Content durch Schreibende und Le-sende, sondern strukturelle Transformationen infolge der Ausrichtung einer plattformisierten digitalen Buchkultur an der Logik Sozialer Medien. Der Vortrag wird exemplarisch anhand der Anwendungen Wattpad, Inkitt und Galatea danach fragen, wie sich dort Produktions- und Publikationsprozesse darstellen, welche plattformgebundenen Praktiken und Prozesse sowie datengesteuerten Anwendungsfunktionen dabei differenzierbar sind und welche Herausforderungen mit diesen Anwendungen für die konzeptionelle Reflexion des Wandels digitaler Buchkultur und Produktions- wie Publikationsformen verbunden sind.

      Bio
      Sven Stollfuß, J.-Prof. Dr., ist Juniorprofessor für Digitale Medienkultur am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Plattformisierung von digitaler Medien- und Buchkultur, Formen partizipativer Medienproduktion und digitaler Publikation, Theorie und Analyse digitaler und Sozialer Medien sowie Social TV und Auswirkungen von Medienkonvergenz auf öffentlichrechtliche Medien. Mail: sven.stollfuss@uni-leipzig.de.

      Sprecher: Prof. Sven Stollfuß (Universität Leipzig)
    • 3
      Social Reading und postliterarische Kultur: Was ist neu an Lesekulturen auf digitalen Plattformen?

      Mit der Popularität der sozialen Medien ist auch das ‚soziale Lesen‘ von Literatur in den vergangenen 10 Jahren in den Fokus der Aufmerksamkeit getreten. Schon seit den späten 1990er Jahren, so der amerikanische Kulturwissenschaftler Jim Collins (2010), wird Literatur in einer ganz neuen Medienökologie gelesen: sie ist geprägt von neuen Vertriebswegen und - formen für literarische Werke, von Fernsehshows wie Oprah’s Book Club und Plattformen wie Goodreads, Youtube und Instagram. Collins und andere konstatieren nicht nur in den USA einen Bruch mit der bildungsbürgerlichen Kultur des individuellen Lesens: Lesegemeinschaften, die gerade ihre nichtakademische Prägung als Identifikationsmerkmal verwenden. Als zweites Merkmal der Lesekultur in digitalen Umgebungen gilt ihre Einbettung in eine social media-geprägte Lifestylekultur: Leseszenen werden auf Instagram geteilt, Bücher auf Youtube rezensiert und Bücher zu Einrichtungsaccessoires erklärt. Literarisches Schreiben passt sich in ihren Themen und Ästhetiken dieser neuen, ‚nachbürgerlichen‘ Umgebung und ihren Vermarktungsinteressen an.
      Mein Beitrag skizziert diese Entwicklung (u.a. am Beispiel meines Forschungsprojekts zu Lesegemeinschaften um anglophone Langromane), um im historischen Rückblick die Frage aufzuwerfen, ob sich Lesekulturen tatsächlich so tiefgreifend verändert haben wie angenommen. Als Hypothese formuliere ich, dass sich eher die theoretische Wahrnehmung und die kulturelle Sichtbarkeit von Lesegemeinschaften und Vergemeinschaftungsprozessen durch Lesen verändert hat.

      Bio
      Nicola Glaubitz ist Anglistin und hat an den Universitäten Siegen, Darmstadt und Frankfurt sowie am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen in den Bereichen Anglistik, Medienwissenschaft und Digital Philology geforscht und gelehrt. Sie ist seit 2018 Professorin für Englische Literaturwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
      Forschungsprojekt im DFG-Schwerpunktprogramm Ästhetische Eigenzeiten (SPP 1688) mit Julika Griem; Titel: „Eigenzeit und Lesegemeinschaften: Zeitstrukturierung durch Langromane von den 1970er Jahren bis heute“ (2016-2019), Forschungsschwerpunkte: Sozialgeschichte der anglophonen Literatur, Medienästhetik, Literatur und Visualität, Diskursgeschichte und Wissenspoetik.

      Sprecher: Prof. Nicola Glaubitz (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
    • 11:00
      Kaffeepause
    • 4
      Marktmacht und Wettbewerb in E-Lending und E-Renting: die Rolle der Intermediäre

      Ein wesentlicher Unterschied von gedruckten Büchern und E-Books liegt darin, dass sich E-Books nicht abnutzen, mithin also der Unterschied zwischen "gebrauchten" und "neuen" Büchern verschwindet. Das begünstigt im kommerziellen Bereich das Vermieten von E-Books, oft über Plattformmodelle mit Flatratebepreisung gegenüber den Endnutzern. Und auch das gemeinnützige E-Lending durch öffentliche Bibliotheken kann profitieren, abhängig von den konkreten Vereinbarungen und Regulierungen. Beides geht zu Lasten der „klassischen“ E-Book-Verkäufe und weist daher relevante Implikationen für Verlage und insbesondere Autoren auf. Sowohl im Bereich kommerzieller Vermietung als auch im Bereich des öffentlichen E-Lending treten privatwirtschaftliche Intermediäre auf, welche relevante Größenvorteile realisieren und als Plattform Vertrieb und Zugang zu E-Books für Verlage, Bibliotheken und Händler organisieren. Im kommerziellen Bereich wäre hier Amazon als Beispiel zu nennen, im E-Lending divibib. Die Marktmacht und die Wettbewerbswirkungen dieser Intermediäre bedarf einer sorgfältigen Betrachtung, um geeignete Regulierungsempfehlungen abzuleiten. In der gegenwärtigen Regulierungsdiskussion wird die Rolle der Intermediäre zu wenig beachtet.

      Bio
      Prof. Dr. Oliver Budzinski ist Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre und Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie an der Technischen Universität Ilmenau. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Medien- und Digitalwirtschaft sowie in der Wettbewerbs- und Industrieökonomik. Ein Seiteninteresse gilt der Sportökonomik. In diesen Feldern hat Oliver Budzinski 3 Bücher (plus 5 herausgegebene Bände), mehr als 60 Beiträge in referierten Fachzeitschriften und mehr als 50 Kapitel in Tagungsbänden, Handbüchern und anderen Sammelbänden publiziert.

      Sprecher: Prof. Oliver Budzinski (TU Ilmenau)
    • 5
      Zugang zu Wissen im Digitalen. Ein rechtsvergleichender Blick

      Seit Jahren wird lebhaft diskutiert, ob das E-Lending in Deutschland neu geregelt werden sollte, und wenn ja, wie eine solche Neuregelung aussehen könnte. Im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition heißt es nun: „Wir wollen faire Rahmenbedingungen beim E-Lending in Bibliotheken“. Unklar bleibt aber, welche Bedingungen fair wären. Andernorts haben private Akteure auf radikale Weise Fakten geschaffen, um den Zugang zu Wissen im Digitalen zu maximieren. In den USA hat das Internet Archive sein E-Lending-Programm während der Corona-Pandemie erheblich erweitert – und wurde von vier großen Verlagshäusern verklagt. Die Schattenbibliothek SciHub wurde in den USA bereits mehrfach wegen (eklatanter) Urheberrechtsverletzungen verurteilt. Gerade verteidigt sie sich in Indien gegen eine Klage mehrerer Verlage; dort sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für SciHub deutlich vorteilhafter. Im Vortrag werden diese unterschiedlichen Entwicklungen aus (urheber)rechtlicher Perspektive untersucht und miteinander verglichen.

      Bio
      Prof. Dr. Katharina de la Durantaye, LL.M. (Yale) ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht an der Freien Universität Berlin. Sie hat in Berlin Rechtswissenschaften und Neuere deutsche Literatur studiert. Promoviert hat sie über den Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen Antike. Anschließend hat sie sechs Jahre lang in den USA studiert, geforscht und gelehrt, bevor sie nach Deutschland zurückgekehrt ist. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören das Bürgerliche Recht sowie das Immaterialgüterrecht, das sie rechtsvergleichend untersucht. Ein besonderer Fokus liegt auf Rechtsfragen, die durch die Digitalisierung aufgeworfen werden.

      Sprecher: Prof. Katharina de la Durantaye (FU Berlin)
    • 6
      Schlussworte
    • 13:15
      Mittagsimbiss